Telezentrische Objektive mit variablem Arbeitsabstand
Date: September 2016
Published by: www.invision-news.de
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In vielen Prüfanwendungen muss man sich mit dem Thema Schärfentiefe und variablen Arbeitsabständen auseinandersetzten. Beispiele dafür sind Packetsortierung, Prüfung von Mobiltelefon- und Tabletgehäusen sowie Displays und PCBs, wo eine stark vergrößernde Optik über weite Strecken verschoben wird. Während gekrümmte Flächen ein Trend im Produktdesign darstellen, stehen Flexibilität und schnell ändernde Produktionsumgebungen bei Industrie 4.0 auf der Agenda. Fokusvariable Linsen erlauben es, innerhalb Millisekunden und zuverlässig reproduzierbar ohne Bewegung von Kamera oder Objekt große Fokussierbereiche abzudecken. Im Folgenden wird ein telezentrisches Objektiv der Firma Sill Optics mit integrierter fokusvariabler Linse der Firma Optotune vorgestellt.
Ein großer Vorteil objektseitig telezentrischer Objektive ist die Tatsache, dass man den gesamten Schärfentiefebereich für eine exakte Messung unterschiedlich hoher Objekte nutzen kann. Der Abbildungsmaßstab bleibt gleich, nur die verringerte Auflösung bei Defokussierung schränkt Messungen in unterschiedlichen Entfernungen ein. Die Schärfentiefe eines telezentrischen Objektivs hängt entscheidend von den Faktoren Abbildungsmaßstab, Blendenöffnung und benötigter Auflösung ab. Speziell bei vergrößernden Objektiven mit hoher Auflösung reduzieren diese Parameter die nutzbare Tiefe enorm, da hier eine große Blendenöffnung für eine ausreichende Abbildungsleistung erforderlich ist.
Neben der flexiblen und schnellen Fokussierung unterschiedlich weit entfernter Objekte bietet eine fokusvariable Linse im telezentrischen Objektiv den Vorteil, dass bei verschiedensten Vergrößerungen vergleichsweise große Schärfetiefenbereiche erreicht werden können. Der große Schärfentiefebereich wird über einen z-Scan ermöglicht, der elektronisch angesteuert werden kann. Die verwendete fokusvariable Linse EL-16-40-TC der Firma Optotune bietet einen Einstellbereich der optischen Brechkraft von -3 bis +3.5 Dioptrien an. Dieser lässt sich entweder als Sprung innert 20ms ändern oder mit einer Rampe während z.B. 100ms abfahren. Wird dabei ein Stapel von Bildern aufgenommen, lassen sich diese mit geeigneter Software zu einem „Hyperfokusbild“ zusammensetzen. Die Fokusinformation kann im Umkehrschluss auch zur Bestimmung von Objektdistanzen verwendet werden.
Integration der Flüssiglinse
Bei der Integration einer Flüssiglinse ist das Optikdesign entscheidend. Die Telezentriebedingung fordert, dass die Aperturblende des Systems auf der Telezentrieseite ins Unendliche abgebildet wird. Bei der Forderung einer objektseitig telezentrischen Abbildung muss die fokusvariable Linse also bildseitig hinter der Blende liegen. Dann ist es allerdings nicht mehr möglich bildseitige Telezentrie zu erreichen.
Für ein fokusvariables telezentrisches Objektiv können folgende Designanforderungen gestellt werden:
- großer Fokussierbereich
- geringe, lineare Vergrößerungsveränderung über diesen Bereich
- gleichbleibende Abbildungsleistung über den Gesamtbereich
- geringe Veränderung der Verzeichnung
- konstanter Telezentriefehler
Um einem möglichst breiten Anwenderkreis die Möglichkeit zu bieten, die Vorteile eines solchen Systems zu nutzen, wurden in einem ersten Schritt bestehende Objektivdesigns modifiziert. Als Spezialist für Kleinserienfertigung und kundenspezifische Objektive bietet Sill Optics natürlich auch individuelle Objektivdesigns mit fokusvariabler Optik an.
Im Folgenden werden am Beispiel eines telezentrischen, 2-fach vergrößernden Objektivs und einem 1‘‘ Sensor theoretische Performance und Messergebnisse des Designs mit fokusvariabler Linse dargestellt.
Performance gemäß Simulation
Ausgangslage bieten folgende Designparameter bei „Nullwirkung“ der fokusvariablen Linse:
- Abbildungsmaßstab: 2,0x +/- 1%
- Arbeitsabstand: 106,2 mm +/-2%
- Objektfeldgröße 19,2 mm x 25,6 mm bei Sensorgröße 9,6 mm x 12,8 mm (1‘‘ Sensor)
- Wellenlängenbereich: 450 – 700 nm
- Objektseitige NA: 0,04 bei mittlerer Blende
- theoretische. max. Verzeichnung 0,61%
- theoretischer max. Telezentriefehler 0,01°
Das Objektiv hat in normaler Bauform (feste Fokussierung) eine Schärfentiefe von ca. 0,3 mm unter Annahme einer Pixelgröße von 7µm und einer NA von 0,04.
Der Brechwertbereich der EL-16-40-TC von -3,0 bis +3,5 dpt erweitert den optimalen Arbeitsabstand von 111,5mm bis 99,4 mm. Man erreicht also einen max. möglichen z-Hub von ca. 12mm, was einer Erweiterung der Schärfentiefe um einen Faktor 40 entspricht.
Aufgrund der beeinflussten Brennweite des Objektivs ergibt sich über den Fokussierbereich eine veränderte Vergrößerung. Die Differenz der Vergrößerung beläuft sich auf +/- 3% des Nennwertes, die Vergrößerung ist linear abhängig von dem eingestellten Brechwert. Über die Kalibrierung des Messsystems kann der Einfluss auf das Messergebnis bereinigt werden.
Die Abbildungsleistung des Objektivs ändert sich über den gesamten Fokussierbereich nur geringfügig. Aufgrund der veränderten Brennweite bzw. des veränderten Arbeitsabstands bei gleicher NA variiert auch die Beugungsgrenze leicht. Für einen kürzeren Arbeitsabstand (+3,5 dpt) liegt eine geringfügig höhere Beugungsgrenze vor. Die MTF-Plots sind mit der Blendeneinstellung NA = 0,04 berechnet, die eine möglichst homogene Abbildungsqualität über das gesamte Feld bietet.
Die Verzeichnung des Gesamtsystems bleibt über den Fokussierbereich gleichgerichtet (positive, „kissenförmige“ Verzeichnung), der Maximalbetrag verändert sich über den gesamten Fokusbereich linear von 0.73% bei (-3 dpt) auf 0.47% bei (+3.5dpt). Über Kalibriermessungen in verschiedenen Entfernungen kann auch hier der auftretende Messfehler ausgeglichen werden.
Da der Telezentriefehler nicht vom Arbeitsabstand oder der Gesamtbrennweite des Systems abhängt und die Baugruppe von Frontlinse bis Aperturblende, wie bereits beschrieben, gleich bleibt, ist der Telezentriefehler per Definition konstant.
Messungen bestätigen die Simulation
Die Prüfung der ersten Objektivreihe zeigt eine annähernd nominale Performance. Die Daten des geprüften Objektivs mit „Nullwirkung“ der fokusvariablen Linse ergeben sich wie folgt:
- Abbildungsmaßstab: 1,983x
- Arbeitsabstand: 105,70 mm
- max. Verzeichnung 0,97%
- max. Telezentriefehler 0,05°
Die Defokussierung ergibt einen z-Hub von ca. 13 mm (+6,0mm / -7,2mm). Die Linearität des Arbeitsabstands wird auch in der Praxis bestätigt. Ebenso wird die Linearität und eine geringe Abweichung (+2,6%/-3,2%) des Abbildungsmaßstabs bestätigt. Die Verzeichnung liegt im Gesamtbereich unter 1%, der Telezentriefehler unter 0,1°.
Die Abbildungsqualität wurde mittels MTF Master (, Fa. OEG) mit schwarz/weiß-Sensor unter Weißlichtbeleuchtung bestimmt. Dabei wurde die bestmögliche Blendenöffnung durch manuelles Einstellen gewählt, wie es in der Praxis üblich ist. Dadurch können die Maximalwerte auch ggf. leicht über den oben gezeigten Theoriewerten mit NA 0,04 liegen. Die MTF-Messkurven bestätigen eine sehr gute Abbildungsqualität bis zu den Randbereichen des z-Hubs.
Hier zeigt sich der Einfluss der verkürzten Brennweite deutlich. Für einen kürzeren Arbeitsabstand wird eine geringfügig höhere Auflösung bei bester Blendenöffnung erzielt.
Im Gesamtvergleich zeigen sich gute Abbildungseigenschaften des Systems über einen z-Hub von etwa 13 mm. Abbildungsmaßstab und Arbeitsabstand sind nahezu linear vom eingestellten Brechwert der fokusvariablen Linse abhängig. Über Kalibriermessungen kann somit eine zuverlässige, hochgenaue Messung erzielt werden.
Die Designdaten beschreiben zuverlässig die Systemparameter, so dass weitere Entwicklungen angestrebt werden können. Für telezentrische Messsysteme eröffnet sich dadurch ein noch breiteres Anwendungsfeld.
Autoren:
Mark Ventura, Optotune Switzerland AG
Andreas Platz, Sill Optics GmbH