Und immer wieder muss man in sich gehen

Date: September 2008
Published by: NZZ Campus
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Von Ronald Schenkel

Wenn es an die Umsetzung des Businessplans geht, beginnt für Startups die Knochenarbeit erst recht. Der Gewinner des Venture Wettbewerbs 2008, Optotune, steht just an dieser Schwelle.

Kleine Dinge entfalten oft eine grosse Wirkung. So sind die Scheiben, die für das unbedarfte Auge aussehen wie in zwei schwarze Ringe eingespannte Kontaktlinsen, kaum grösser als ein Fünffranken-Stück. Doch könnten sie im Bereich der Optik die Welt verändern. Dreht man die Ringe gegeneinander, wird klar warum: Die vermeintliche Kontaktlinse ist ein Objektiv. Wie bei einem Kameraauge wird das Bild, das man dadurch sieht, herangezoomt. Dabei wird die Scheibe aber weder dicker, noch verändert sich der Durchmesser. «Die Linsen werden vielmehr gebogen – von konkav zu konvex», erklärt Mark Blum, als handle es sich um das Natürlichste der Welt, und legt das Miniatur-Objektiv zurück in die Schachtel zu den übrigen. Die kleinen Wunderdinger sind das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung an der ETH mit elektroaktiven Polymeren, und nun sollen sie das Start-up-Unternehmen «Optotune», dessen Marketing-Verantwortlicher Blum ist, zum Höhenflug abheben lassen.

Der Wettbewerb als Plattform

Die Zeichen für Optotune, das vorderhand noch aus den vier Gründern besteht – Manuel Aschwanden, David Niederer, Peter Vonesch und Mark Blum -, stehen gut. Im Mai haben die vier den diesjährigen Venture Businessplan-Wettbewerb der ETH Zürich und des Beratungsunternehmens McKinsey gewonnen, was, lässt man die Sieger vergangener Jahre Revue passieren, durchaus als Signal gewertet werden kann. Dabei habe der Wettbewerb sie nicht allein in ihrer Absicht bestärkt und bei der Strategiefindung geholfen, sagt Blum. Er habe auch zur Glaubwürdigkeit beigetragen und dazu, dass man überhaupt auf sie Aufmerksam geworden sei.

So mangelt es nicht an Interessenten. Sie stammen sowohl aus der Forschung wie aus der Konsumgüter-Industrie. Nicht zuletzt für Handyhersteller würde das Optotune-Objektiv ganz neue Möglichkeiten eröffnen, sofern es gelingt, sie elektronisch zu steuern. Dass es machbar ist, darin besteht kein Zweifel. Die Steuerelektronik müsste allerdings nicht nur klein, sondern auch günstig sein. «Wir sind dazu mit Halbleiter-Firmen im Gespräch», deutet Blum an und berührt damit ein Thema, das in der gegenwärtigen Phase der Umsetzung des Businessplans zentral ist: Präsentieren und Abklären, Abklären und Präsentieren. Die Gespräche führen zumeist Aschwanden und Blum, der eine eher jene mit den Elektronikherstellern, der andere die mit den Kunden. «Doch wenn wir mit der Führungsriege eines grossen Unternehmens am Tisch sitzen, müssen wir mindestens zu zweit auftreten, um die Wichtigkeit der Angelegenheit zu unterstreichen», betont der Marketingleiter. Und auf Chef-Ebene zu verhandeln, ist essentiell, um rasch vorwärts zu kommen. Man müsse dabei als junges Start-up zuweilen die Zurückhaltung etwas ablegen, lässt Blum durchblicken. Aber auch Selbstbewusstsein gehört nun mal zum Jungunternehmer-Profil; wer Angst vor dem CEO eines Weltkonzerns hat, ist draussen. Umgekehrt können es sich grosse Kunde auch leisten, gehobene Ansprüche zu stellen. Deshalb habe auch der Aufwand im Engineering deutlich zugenommen. Mit dem Forschungsergebnis allein ist denn auch nicht getan, und nach wie vor ist wissenschaftliche Arbeit – wenn auch mit anderer Zielsetzung als noch an der ETH – ein zentraler Bestandteil des Unternehmens.

Beschäftigung mit sich selbst

«Aber alles entwickelt sich positiv», strahlt Blum, räumt jedoch gleichzeitig ein, dass es nicht unwichtig ist, sich mit sich selbst auseinander zu setzen. «Zuerst waren wir einfach vier Gründer, die Vollgas gaben. Nun haben wir uns eine Struktur gegeben», sagt Blum. Es gibt klar geregelte Zuständigkeiten und einen CEO, Manuel Aschwanden, der die Gesamtverantwortung trägt. Und was ein modernes Unternehmen ist, hat auch seine eigenen Corporate Guidelines - unter anderem für den Umgang mit den zukünftigen Mitarbeitern; schon Ende Jahr soll das Team auf sechs bis sieben Personen anwachsen, und in einem früheren Interview hat Aschwanden von seinen Zukunftsvisionen gesprochen: Ein Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern möchte er dereinst leiten.

Vor allem in der Aufbauphase werden Spezialisten für jeweilige Kerngebieten gefragt sein. Oben auf der Recruiting-Liste steht beispielsweise ein Head of Production. Gerade um aus dem eingefleischten Kern ein mehrgliedriges Unternehmen zu gestalten, braucht es Richtlinien, die den Umgang untereinander festlegen: «Wir wollen eine betont offene Gesprächskultur pflegen, weil wir ein junges Team sind und noch über Feedback lernen», gibt sich Blum bescheiden.  Apropos Mitarbeiter: Auch ein Start-up-Unternehmen, das noch keine dicken Löhne zahlen kann, ist unter Umständen ein attraktiver Arbeitgeber. «Man kann noch viel Einfluss nehmen und trägt Verantwortung», nennt Blum zwei der Plus-Punkte, und schliesslich sei man ja auch finanziell am Erfolg beteiligt.